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Wie finde ich eine*n gute*n Gynäkolog*in?

von Shafia Khawaja 

Andere haben Angst vor Zahnärzt*innen, Ich habe Angst vor der gynäkologischen Untersuchung. Wie mich die Gespräche mit einer Gynäkologin und zwei Aktivistinnen dazu ermutigt haben, eine neue Praxis zu suchen.

Ganz ehrlich: Leicht gefallen ist mir es noch nie, zur Gynäkologin zu gehen. Nach einer negativen Erfahrung hat sich mein anfängliches Unwohlsein zu regelrechter Angst vor der - allerdings wichtigen - Vorsorge manifestiert. Aus dem Gespräch mit Freund*innen weiß ich, dass die Erfahrungen variieren - doch so ganz easy ist das Thema für die meisten nicht. Statt das Unbehagen weiter wachsen zu lassen, möchte ich nun herausfinden, wie es auch anders gehen kann.

Teil 1: Stress mit dem Stuhl

Obwohl ich weiß, dass es zur Untersuchung gehört, habe ich mich immer komisch gefühlt, unbekleidet und breitbeinig vor einer fremden Person zu sitzen. Wenn dann die Ärztin sagte, „Rutschen Sie noch ein Stück weiter vor”, habe ich mir oft gedacht: „Noch weiter? Meine Vulva ist doch praktisch schon in Ihrem Gesicht.” Gesagt habe ich allerdings aus Unsicherheit nichts.

Die Gynäkologin Dr. Katrin Gross klärt gemeinsam mit ihrer besten Freundin im Podcast „Clitoria’s Secrets” über „female health Themen” wie Schwangerschaft, Menstruation und Orgasmen auf. Mir erklärt sie, dass die Position auf dem gynäkologischen Stuhl praktische Gründe hat: „Es geht nicht darum, dass wir die Vulva beobachten und beurteilen wollen. Aber wenn das Becken zu weit hinten auf dem gynäkologischen Stuhl positioniert ist, können wir unsere Untersuchungen nicht adäquat durchführen.” Um sich weniger „nackt” zu fühlen, empfiehlt Gross, bei der Untersuchung ein längeres Oberteil zu tragen. Während der gynäkologischen Behandlung ist ihr wichtig, eine Atmosphäre zu schaffen, in der sich Patient*innen nicht verurteilt fühlen. 

Photo: Cottonbro via Pexels

Teil 2: Die Behandlung

Auf meine Sorgen, Wünsche und Bedenken wurde bei meinen Terminen meist wenig eingegangen. Stattdessen verließ ich die Praxen unzufrieden mit einem weiteren Pillenrezept. Was ist da schiefgelaufen? Gross erklärt, dass die Erwartungshaltung der Patient*innen oft nicht mit der tatsächlichen Behandlung übereinstimmen. So könne bei unregelmäßigen Zyklen oder Menstruationsbeschwerden manchmal keine Ursache gefunden werden: „Oft handelt es sich dabei um nicht-greifbare Ursachen wie Stress, kurzzeitige hormonelle Umstellungen, Essgewohnheiten und das ist nichts, was wir valide diagnostizieren könnten”. 

Minutiös durchgetaktet: Ärzt*innen unter Druck

Bei Kassenpatient*innen können nur kurze Gespräche abgerechnet werden. Für längere Gespräche bei möglichen Zyklusbeschwerden gibt es keine Abrechnungsziffern. Das heißt: Die ärztliche Leistung wird nicht vergütet. „Um in einer gynäkologischen Praxis wirtschaftlich zu arbeiten, muss eine gewisse Taktung eingehalten werden”, erklärt Gross. So sei für eine kleinere Untersuchung etwa eine Zehn-Minuten-Taktung vorgesehen, für mittlere oder größere Untersuchungen 15-20 Minuten. „Wenn eine Patientin höheren Gesprächsbedarf hat und man weiß, dass noch zehn weitere Patient*innen warten, übt das massiven zeitlichen Druck auf die Ärzt*innen aus”, so Gross. Viele Ärzt*innen stehen vor dem Dilemma, ihren Versorgungsauftrag zu erfüllen und möglichst viele Patient*innen anzunehmen. Gleichzeitig können viele Praxen gar keine neuen Patient*innen aufnehmen. In diesem Fall empfiehlt Gross, sich an die Patientenservice für die einzelnen Bundesländer zu wenden, die einen Termin innerhalb der nächsten vier Wochen garantieren. 

Foto von MART PRODUCTION von Pexels

Wie findet man also eine gute Frauenärztin oder einen passenden Frauenarzt ?

Die Suche nach einer*m geeigneten Gynäkolog*in kann sich schwierig gestalten - auch, weil Patient*innen und ihre Bedürfnisse individueller sind, als es Medizinstudium und Gesundheitssystem vorsehen: „Manche Patient*innen wollen einfach einmal im Jahr zum Abstrich und schnell wieder raus. Andere wiederum haben einen hohen Gesprächsbedarf”, erklärt Gross. „Deswegen gibt es für jede*n Patient*in die passende Frauenärzt*in. Es lohnt sich, Zeit zu investieren, diese Person zu finden”.

Marginalisierte Gruppen, wie unter anderem BiPoCs, Queere, Muslim*innen oder Menschen mit Behinderung haben es hier allerdings deutlich schwerer. Nicht alle Praxen sind für Diversität sensibilisiert und in Räumlichkeit und Behandlungsangebot darauf ausgerichtet. Den Zugang zu einer diskriminierungsfreien Behandlung zu erleichtern, ist das Anliegen des queerfeministischen Kollektivs Gynformation. Auf ihrer Website kann man Gynäkolog*innen, Endokrinolog*innen oder Geburtshelfer*innen sowohl suchen als auch selbst Empfehlungen einreichen. Um auf die Liste aufgenommen zu werden, gibt es Mindeststandards, die bei eingereichten Empfehlungen abgefragt werden.

Dazu zählt, dass während der Behandlung auf Konsens geachtet wird und keine moralisierenden oder abwertenden Kommentare gemacht werden. „Zudem heben wir es positiv hervor, wenn die Behandlung, nicht nur auf dem gynäkologischen Stuhl, sondern auch in Seitenlage angeboten wird”, erklärt Lisa, Mitbegründerin des Kollektivs. „Wir betonen es außerdem positiv, wenn die Praxis barrierefrei zugänglich ist und beim Erstkontakt nach den Pronomen gefragt wird. Aber es ist keine Voraussetzung, um auf die Liste aufgenommen zu werden”, ergänzt Lena, Mitglied des Kollektivs. Vor und während der Untersuchung kann man sich zusätzlich folgende Fragen stellen: 

Checkliste gynäkologische Untersuchung

  • Vor der Behandlung: 

    • Wie ist der telefonische Erstkontakt? Sind die Arzthelfer*innen freundlich und gehen sensibel mit mir um?

    • Was ist mein Hauptanliegen? Was sind meine wichtigsten Fragen dazu?

    • Wann war meine letzte Periode? Wie lange sind meine Zyklen? Wie lange und wie stark sind meine Blutungen? (Zyklus-Aufzeichnungen können Ärzt*innen bei der Basisdiagnostik helfen. Wenn du weitere Körperzeichen wie Temperatur oder Zervixschleim beobachtest, kannst du auch diese Daten mitbringen).

  • Während der Behandlung

    • Werden mir auf Nachfrage alternative Untersuchungs- und Behandlungsmethoden angeboten?

    • Wird mir angeboten, teils bekleidet bleiben?

    • Wird mir kommuniziert, was die behandelnde Person als nächstes tut und wird vorher nach meinem Einverständnis gefragt?

    • Macht die*der Ärzt*in moralische oder abwertende Kommentare?

  • Fehlverhalten kann der Bundesärztekammer bzw. Landesärztekammer gemeldet werden

Entscheidend ist das Bauchgefühl 

„Wenn der Eindruck besteht, dass die eigenen Fragen nicht ernst genommen werden, ist das ein Indikator dafür, dass etwas falsch läuft”, meint Gross. „Wenn man sich nicht wohl fühlt, sollte man auf jeden Fall entweder die*den Ärzt*in darauf ansprechen oder die Praxis wechseln.”

Ich selber habe mich nach einer schlechten Erfahrung nicht getraut, die Ärztin darauf anzusprechen. Stattdessen hat sich in mir eine Unsicherheit festgesetzt, die mich davon abgehalten hat, nach einer neuen Praxis zu suchen.

„Wir stellen immer wieder fest, dass in Arztpraxen ein ziemliches Machtverhältnis herrscht. Viele Patient*innen sind daher erst einmal eingeschüchtert”, sagt Lena von Gynformation. Das liege vor allem an der Hierarchie: Die Ärzt*innen verfügten über ein Expert*innenwissen und somit auch über die Entscheidungsmacht: „Was verschreibt die behandelnde Person, was nicht? Wie rechnet sie ab? Darf ich in die Praxis, wenn ich keine Versicherung habe?”. 

Dieses Machtverhältnis habe ich auch als Patientin gespürt: Statt nachzufragen, habe ich meine Bedenken beiseite geschoben und gedacht, dass ich die Aussagen und das Verhalten der Ärzt*innen falsch interpretiere. „Nur, weil das Gegenüber den weißen Kittel trägt, ist der- oder diejenige nicht unbedingt im Recht”, betont Gross. Deshalb sei es wichtig, sich vorher zu informieren und eine eigene Meinung zu bilden.

Übergriffiges Verhalten

Unpassende Bemerkungen waren ein weiterer Grund, weshalb ich meinen letzten gynäkologischen Termin als so negativ empfand. Dass auch verbales Verhalten übergriffig sein kann, habe ich erst später verstanden. Gynformation-Mitglied Lena sieht das Problem darin, dass die Machtdynamik vielen Ärzt*innen nicht bewusst sei: „Es geht in den wenigsten Fällen um bewusste sexuelle Belästigung, aber häufig werden bestimmte Kommentare oder ruppige Bewegungen in Zusammenhang mit einer so körperlich-intimen Behandlung als übergriffig oder unangenehm empfunden. Umso mehr, wenn Patient*innen traumatisiert sind”.

Teil 3: Die Suche nach einer neuen Praxis

Was mir bislang auch nicht ganz klar war: Wenn man sich nicht wohlfühlt, kann man einen Termin jederzeit abbrechen. Bei der Versicherung oder für zukünftige Termine hat das keine Folgen. Jede*r hat das Recht auf eine respektvolle Behandlung - und das Recht auf Hinterfragen.

Ich habe die Suche nach einer neuen gynäkologischen Praxis lange vor mich hergeschoben. Nach den Gesprächen mit Lisa, Lena und Katrin Gross glaube ich allerdings: Die Suche nach einer passenden Praxis lohnt sich. Es ist empowernd zu wissen, dass ich nicht nur auf die Empfehlungen meiner Freund*innen angewiesen bin, sondern nun selbstbestimmt nach Ärzt*innen suchen kann, die zu meinen Anliegen passen.

Anlaufstellen, die bei der Suche nach einer gynäkologischen Praxis helfen

  • Gynformation: Queerfeministisches Kollektiv, das Gynäkolog*innen, Endokrinolog*innen oder Geburtshelfer*innen empfiehlt 

  • Patientservice 116 117: garantiert innerhalb von vier Wochen einen Ärzt*innentermin 

  • Mädchensprechstunde: speziell für die erste gynäkologische Untersuchung