Fünf Mythen rund um Zyklus und Verhütung

Schwarz-Weiß-Foto zweier Statuen, die Apollo und Daphne darstellen. Apollo hält Dapne, die in horizontaler Lage nackt zu sehen ist. Foto von Mateus Campos Felipe @matfelipe via Unsplash.

Dass Menstruationsblut giftig ist, glaubt heutzutage niemand mehr. Dass der Eisprung nicht immer an Tag 14 stattfindet, hat sich auch herumgesprochen. Oder doch nicht? Fünf Annahmen rund um Zyklus und Verhütung im Check.

Mythos 1: Der Eisprung findet exakt in der Mitte des Zyklus statt.

Die Ovulation kann genau in der Mitte des Zyklus stattfinden, muss sie aber nicht und tut sie oft auch nicht. Der Zyklus besteht aus zwei Phasen, die in ihrer Länge variabel sind: Die erste Phase von Beginn der Menstruation bis zum Eisprung (Follikelphase) ist ziemlich anfällig für Stress und diverse Einflüsse. Die Phase nach dem Eisprung bis zum Zyklusende (Lutealphase) ist konstanter und schwankt bei ein- und derselben Person meist nur um +-1 Tag. Durchschnittlich liegt sie zwischen 10 und 16 Tagen. Aber: Die zweite Zyklusphase hängt nicht von der Länge der ersten Phase ab. Vergessen wir also die Mär von 28 Tagen, zwei genau gleichen Zyklushälften und dem ominösen Tag 14. Wenn wir herausfinden wollen, wie lang unsere Zyklusphasen wirklich sind und wann unser Eisprung ungefähr stattgefunden hat, brauchen wir weder eine App noch einen Arzt - sondern symptothermale Körperbeobachtung.

Mythos 2: Die Pille reguliert den Zyklus.

Wer kennt es nicht - aus eigener Erfahrung oder von Freund*innen? Jemand hat einen unregelmäßigen Zyklus oder menstruiert gar nicht und bekommt schließlich die Pille verschrieben, um den Zyklus zu “regulieren”. Tatsächlich wird hier aber nicht der Zyklus reguliert, sondern eine künstlich erzeugte Blutung während der einwöchigen Einnahmepause geschaffen. Der Menstruations- bzw. Ovulationszyklus wird hingegen auf Pause gestellt: Unter Pilleneinnahme findet kein Eisprung statt. Warum also die Pseudo-Regulierung? Womöglich erleichtert es manchen Menschen den Alltag, wenn sie alle drei Wochen mit einer Blutung rechnen statt willkürlich alle paar Monate lang zu bluten (übrigens: mit der symptothermalen Methode könnte man die nächste Menstruation prognostizieren). Doch tieferliegende gesundheitliche Probleme, die den natürlichen Zyklus erst unregelmäßig machten, werden durch die Pille nicht behoben - und nach dem Absetzen ist man meist so weit wie zuvor. 

Mythos 3: Hormonfreie Verhütung ist unsicher.

Zunächst einmal ist wichtig zu wissen, dass es eine große Vielfalt an hormonellen und hormonfreien Methoden gibt. In beiden Bereichen sind Verhütungsmittel, die Anwender*innenfehler ausschließen, sehr sicher geranked - beispielsweise das Hormonimplantat und die Hormonspirale, sowie die Kupferspirale bzw. -kette. Bei allen Methoden, die aktiv angewendet werden müssen, sind die Anwender*innen ein großer Faktor in der Zuverlässigkeit, unabhängig davon, ob es sich um hormonelle oder hormonfreie Verhütung handelt. Das Kondom erreicht bei korrekter Anwendung eine Sicherheit um die 98 Prozent, die symptothermale Methode sogar bis zu 99,6 Prozent. Damit ist sie gleichauf mit der Pille bei perfekter Anwendung. Man sollte bedenken, dass auch bei der Pille durchaus Fehler passieren können - von Vergessen bis zu übersehenen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Warum man mit Angaben zur Verhütungssicherheit außerdem differenziert umgehen sollte, habe ich in diesem Blogbeitrag aufgeschrieben.

Mythos 4: Natürliche Verhütung funktioniert nur bei regelmäßigen Zyklen.

Auch hier muss man differenzieren. “Natürliche Verhütung” kann alles mögliche bedeuten. Die Kalendermethode, die mit Durchschnittswerten arbeitet und keine Körperzeichen in Betracht zieht, war vor hundert Jahren bahnbrechend, gilt aber heute als zu unsicher - eben aus dem Grund, dass sich der Eisprung von Zyklus zu Zyklus verschieben kann (siehe Punkt 1). Eine Studie mit 210 Frauen ergab, dass bei 96,7 Prozent die Zykluslänge innerhalb eines Jahres um mehr als drei Tage schwankte, bei 80,5 Prozent um 6 Tage oder mehr (1). Das ist ein starkes Argument gegen die Kalendermethode, aber nicht gegen moderne natürliche (vor allem symptothermale) Methoden, die auf Körperbeobachtung basieren. Bei diesen wird jeder Zyklus aufs Neue analysiert. Der Eisprung wird nicht vorhergesagt, sondern im Nachhinein bestätigt. In der Praxis bedeutet das, bei einem langen Zyklus länger warten zu müssen, bis man (kondomfreien) Sex haben kann. Das ist womöglich nervig, beeinträchtigt aber nicht die Sicherheit der Methode, solange man sich daran hält.

Mythos 5: Der Zyklus ist Frauensache.

Auf den ersten Blick scheint der Zyklus DAS Frauenthema par excellence zu sein. Ob top-secret Tamponübergaben oder gegenseitiges Mitfühlen bei Menstruationsschmerzen - alles Sachen, die oft unter Freundinnen stattfinden. Und trotzdem ist die Gleichung Zyklus = Frauending nicht richtig. Zum einen haben nicht alle Frauen einen Zyklus, aus vielerlei Gründen: Erkrankungen, hormonelle Verhütung, Menopause u.v.m. - oder sie sind trans, also nicht mit einem biologisch weiblichen Körper geboren. Umgekehrt sind nicht alle Menschen mit Zyklus Frauen: Auch Intersexuelle, nicht-binäre Menschen oder trans Männer können Menstruationszyklen haben. Abgesehen davon ist es generell wichtig, die Existenz des Zyklus anzuerkennen, egal, ob man ihn am eigenen Körper spürt oder nicht. Warum sollte man ein Thema ignorieren, das circa jede zweite Person im reproduktiven Alter betrifft? Deswegen habe ich diese Seite ins Leben gerufen, und hier sind alle willkommen - Chicas, Chicos und Chicxs con Ciclo. Con Ciclo ist übrigens Spanisch und bedeutet schlicht und einfach: Mit Zyklus. 


* Wenn ich auf dieser Website den Begriff Frauen oder Mädchen verwende, dann aus folgenden Gründen: 1) Ich zitiere Quellen (wie bei der in Punkt 4 erwähnten Studie) oder 2) ich beziehe mich auf Kontexte, in denen Frauen als diejenigen mit Zyklus wahrgenommen werden - unabhängig davon, ob sie tatsächlich einen haben oder nicht.

(1) Raith-Paula, E., Frank-Hermann, P., Freundl, G. und Strowitzki, T.: Natürliche Familienplanung Heute (5. Aufl.), S. 135.

Foto: Mateus Campos Felipe @matfelipe via Unsplash

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